Spezifische Trainingstherapie für die chronisch obstruktive Lungenerkrankung

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Behandlungspyramide der COPD. Dabei werden in der Praxis häufig Schulungen und die Trainingstherapie vernachlässigt

Die chronischen Erkrankungen können mit Abstand als primärer Kostenverursacher im Gesundheitswesen aller Industrieländer identifiziert werden. Allein in Deutschland leben ca. 25 Millionen chronisch Kranke. Der konditionelle und gesundheitliche Abbau ist bei den meisten chronisch verlaufenden Krankheiten (Adipositas, Chronisch Obstruktive Lungenerkrankung, Diabetes, Herzinsuffizienz etc.) durch einen Circulus vitiosus, bestehend aus fortschreitender Verschlechterung des Krankheitsbildes und krankheitsbedingter Inaktivität, verursacht. In diesem Zusammenhang gibt es eindeutige Hinweise darauf, dass eine Zunahme an körperlicher Aktivität und Fitness in direktem Zusammenhang mit der Reduktion von Risikofaktoren und Krankheitssymptomatik steht. Dieser Beitrag beschäftigt sich daher mit den Möglichkeiten trainingstherapeutischer Interventionen bei der chronisch obstruktiven Lungenerkrankung (COPD). Die COPD rangiert in der Mortalitätsstatistik auf dem vierten Platz. Obgleich dieses Krankheitsbild noch nicht heilbar ist, kann durch eine ganzheitlich integrative Therapie die Lebensqualität der Patienten erheblich verbessert werden. Eine effiziente Behandlung der COPD erfordert verschiedene Therapieansätze (s. Abb.). Dabei gilt die Rauchkarenz als wichtigste Intervention, denn sie kann den weiteren Krankheitsverlauf am günstigsten beeinflussen. Zusätzlich bedürfen die Patienten einer medikamentösen Therapie. Eine weitere Behandlungsform besteht im systematischen körperlichen Training, das zur allgemeinen Konstitutionsstärkung, verbesserten Immunlage und Lungenfunktion beitragen soll.

In diesem Zusammenhang ist festzustellen, dass der gesundheitliche und konditionelle Abbau bei COPD-Patienten durch einen Teufelskreis, bestehend aus krankheitsbedingter Inaktivität und fortschreitender Verschlechterung des Krankheitsbildes maßgeblich beeinflusst wird. Diesen Teufelskreis zu durchbrechen, ist Ziel jeder Trainingstherapie. Grundsätzlich zeigen zahlreiche Formen der körperlichen Belastung einen positiven Effekt auf dieses Krankheitsbild. Jedoch sind Effektivität und Effizienz der einzelnen Maßnahmen sehr unterschiedlich. Ebenso verhält es sich mit der Verträglichkeit der trainingstherapeutischen Interventionen für COPD-Patienten.

Zahlreiche bisher durchgeführte Studien belegen die positiven Effekte von Ausdauerprogrammen für COPD-Patienten, sowohl in Bezug auf eine Steigerung verschiedener objektiver Belastungsparameter, wie Herzfrequenz oder Laktat, als auch auf die Lebensqualität. Die subjektiv empfundene Lebensqualität der Patienten wurde in vielen Studien vor allem durch eine Angstreduzierung in Bezug auf das Auftreten einer Belastungsdyspnoe verbessert.

Die derzeitigen Empfehlungen zur Bewegungstherapie von COPD-Patienten orientieren sich stark am Asthmasport und favorisieren den allgemeinen Trend der aktuellen gesundheitsorientierten Trainingslehre, die das Ausdauertraining in den Mittelpunkt stellt. In Form von ambulanten Lungensportgruppen ist die Teilnahme dabei an feste Ein- und Ausschlusskriterien gebunden, die bereits Patienten mit mittelschwerer COPD (FEV1< 60%) den Zugang erschweren, da ihre aktive Teilnahme die Anwesenheit eines Arztes voraussetzt. Patienten mit einer schweren Verlaufsform (FEV1< 40%) sind von der Teilnahme ausgeschlossen.

Es gibt jedoch Hinweise, dass besonders Letztere am meisten von einer systematischen Bewegungs- bzw. Trainingstherapie profitieren. Menschen mit einer schweren obstruktiven Atemwegserkrankungen sind oftmals stärker durch verminderte Muskelkraft als durch eine ungenügende Herzkreislauf-Leistungsfähigkeit in ihrer körperlichen Aktivität eingeschränkt sind. In diesem Kontext kommt dem Krafttraining ein besonderer Stellenwert zu.

Ein Krafttraining hat vor allem ein breiteres Wirkungsspektrum als ein Ausdauertraining bezüglich des Anforderungsprofil an eine COPD-spezifische Trainingstherapie. Hierbei ist die krankheitsbedingte Muskelatrophie in den Vordergrund zu stellen, die durch spezifische Krafttrainingsreize eher kompensiert werden kann als durch ein Ausdauertraining. In diesem Zusammenhang ist ebenfalls der defizitäre Proteinmetabolismus ein COPD-spezifisches Problem, dass eher durch die anabolen Effekte eines hypertrophierenden Krafttrainings kompensiert wird. Darüber hinaus provoziert ein solches Krafttraining einen stärkeren Anstieg der Testotsteronplasmakonzentration als jede Ausdauerbelastung, was wiederum für das Testosterondefizit vieler COPD-Patienten von Bedeutung ist. Auch gleicht ein Krafttraining die muskulären Dysbalancen viel spezifischer aus, die ansonsten durch eine Veränderung der Wirbelsäulenstatik zu einer Einengung des Thorax führen können und somit zu einer zusätzlichen Verstärkung der Atembeschwerden.

Ein weiteres Argument für ein Krafttraining ist die bessere Verträglichkeit aufgrund des intermittierenden Belastungsprofils mit längeren Pausen zwischen den einzelnen Belastungen, wodurch ohne weiteres auch schwergradig COPD-Kranke ein intensives ein- bis zweistündiges Training ausüben können, was wiederum zu einer stärkeren Homöostasestörung (Störung des biochemischen Gleichgewichts) führt und entsprechende strukturaufbauende Prozesse initiiert.

Dadurch kann die krankheitsbedingte Spirale von fortschreitender Dekonditionierung und der daraus resultierende progrediente Verlauf der COPD durchbrochen werden. Ein Ausdauertraining muss erfahrungsgemäß bei diesem Schweregrad wesentlich früher aufgrund der Dyspnoe und der muskulären Ermüdung abgebrochen werden.

Sicherlich besteht weiterer Forschungsbedarf in dieser Richtung, dennoch sollte im Hinblick auf den Stellenwert spezifischer Trainingsmaßnahmen in der COPD-Therapie ein Umdenken stattfinden. Die angeführten Beispiele unterstützen die Forderung, dass die Trainingstherapie in Zukunft einen primären Focus in der Prävention und Rehabilitation von chronischen Erkrankungen bilden sollte, insbesondere der COPD. Durch einen ganzheitlich integrativen Therapieansatz kann für die Patienten so eine maximale Therapieeffizienz und somit der größtmögliche gesundheitliche Benefit erzielt werden.

Peter R. Wright, Fakultät für Sportwissenschaft, Ruhr-Universität Bochum